Dr.jur.Vera Slupik,Ass. Frauenrechte in der Genderpolitik Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz von 2006 Als vor vier Jahren das AGG nach drei politischen Anläufen unter der schwarz-roten Bundesregierung verabschiedet worden war, hatte es nicht nur gegen die vorherige Ablehnung der alten CDU-Fraktion im Deutschen Bundestag zu kämpfen, auch die FDP blieb bei ihrer skeptischen Haltung ebenso wie die Arbeitgeberverbände.Es war und ist von "handwerklich schlecht gemacht" die Rede, obwohl das Gesetz als Umsetzungsvorhaben für mehrere EG-Richtlinien bereits zu spät und deswegen auch vom EuGH mehrmals gerügt worden war.Auch in der Sache selbst hat sich die EG-Kommission schon kritisch geäussert.1) 1.Richtlinienkonformität Keineswegs ist der bundesdeutsche Gesetzgeber bei der Umsetzung von EG-Richtlinien in innerdeutsches Recht unerfahren.Auch hinsichtlich der Gleichbehandlung von Frauen, die hier als Thema behandelt wird, gibt es Erfahrungen, z.B. durch das Gesetz über die Gleichbehandlung von Frauen und Männern am Arbeitsplatz von 1980, an die anzuknüpfen der Bundestag offenbar weder willens war, noch von seinen beratenden Experten, einschliesslich aller bisherigen juristischen Kommentierungen dazu aufgefordert worden ist.2)Dabei drängt sich eine Parallele wegen der Kontinuität der Richtlinien in der Tradition der Rechtssetzung der EG bei der Gleichberechtigung der Frau, unter anderem resultierend aus Art.13, 141 EGV, geradezu auf.Der Vertrag erwähnt gesondert die Gleichstellung der Frauen bei Löhnen und Gehältern sowie allen Arbeits- bedingungen und nennt die Frauen in der Reihenfolge diskriminierter Gruppen an erster Stelle, ebenso wie Art.3 Abs.3 GG.Die revidierte Gleichbehandlungs-RL 2002/73 EG v. 23.9.2002 und die RL zur Gleich- stellung der Geschlechter 2004/113/EG wollten der Frau fraglos mehr Rechte im Zivilrechtsverkehr, einschliesslich des dazugehörigen Arbeitsrechts verschaffen.3) Für die Bundesrepublik zeigt eine solche völkerrechtliche Verbindlich- keit keine grossen verfassungsrechtlichen Probleme.Art.3 Abs.2 GG stellt die Frauen rechtlich gleich, gestattet und eröffnet seit Errichtung dieser Verfassung, Möglichkeiten zum Zwecke der Herstellung realer Chancengleichheit Vorteile für Frauen zu schaffen und Diskriminierungs- verbote zu errichten.Die Auffassung, dass - insbesondere im Erwerbs- leben - Diskriminierungsverbote als Verstoss gegen die Privatautono- mie zu bewerten sind und insofern verfassungswidrig seien, ist mehrfach durch das Bundesverfassungsgericht, aber auch im Schrifttum widerlegt worden und darf deswegen nicht als Mehrheitsmeinung gelten.4)Zwar er- öffnet die verfassungskonforme Auslegung von §§ 138, 242 BGB ein weites Feld, den Wertekatalog der Konstitution in der Privatrechtsverkehr einzufügen, das hindert jedoch keineswegs Schranken zu setzen, die mit den Wertentscheidungen des Grundgesetzes in Einklang stehen.Dabei müssen die Sozialgebundenheit des Eigentums und auch Art.1 Abs.2 GG, der die Menschenrechte erwähnt, nicht extensiv herangezogen werden. Art.1 Abs.2 GG ist eher im Sinne einer statischen bzw. dynamischen Verweisung zu verstehen, falls Rechte in dem folgenden Katalog der Grundrechte nicht genannt sind, die aber als universale Werte Anerkennung gefunden haben.Art.2 GG geht Art.3 GG wegen seiner Stellung vor, kann aber - abgesehen von einem Kernbereich - wegen der Verwirklichung von Gleichheitsrechten eingeschränkt werden, wenn sich dies als besonders dringliches Anliegen des Verfassungsgebers zeigt.Das ist bei der Frauenemanzipation der Fall.Als Vision einer freien Gesellschaft im Sinne einer Gemeinschaft der Bürger schwebte den Eltern des Grundgesetzes durchaus die "bunte Reihe" oder wie man heute schreibt "gender diversity" vor.Die Chance zur Beteiligung auch der Frauen in den bislang den Männern vorbehaltenden Bereichen sollte eröffnet werden und damit Diskriminierung, geboren aus traditionellen Auffassungen über die Geschlechterrollen, vermieden und bekämpft werden.Fraglos ist Art.3 Abs.2 GG nicht nur dem Abs.3 vorgängig, sondern auch vorrangig, also verfassungsrechtlich gewichtiger, spezieller.Als besonders markanter, die große Gruppe der Frauen, eine zahlenmäßige Mehrheit betreffend, Fall von schlechterem Recht, sollte ein Einfallstor für gleiche Rechte, vor allem im Familien- recht, als Chance zur Verwirklichung von Gleichheit gesetzt werden.5) So gesehen zeigt sich, daß im Falle der Richtlinien zur Gleich- stellung der Geschlechter und der revidierten Gleichbehandlungs- richtlinie eine Differenz zwischen dem Willen des EU-Rechtsgebers und der bundesdeutschen Konstitution nicht gegeben ist.Jedenfalls grundsätzlich muss daher von einer Kongruenz bei der Absicht die Rede sein, wie man sie schon bei dem arbeitsrechtlichen EG- Anpassungsgesetz von 1980 konstatierte. 2. Umsetzungsprobleme Nach dem Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts 6) und der generell eher uneinheitlichen Rechtsprechung zur Umsetzung völkerrechtlicher Verbindlichkeiten ist aber dennoch die Frage zu erörtern, ob das Grundgesetz und seine Wertentscheidungen dem Europarecht bzw. anderen internationalen Verträgen vorgeht oder das Umgekehrte der Fall ist.Für die Beantwortung dieser Frage gibt es nur eine staatsrechtlich gesicherte Antwort: setzt der Souverän sich eine Verfassung, so existiert der Staat und die in ihm lebenden Gemeinschaften nur in dem dort konsti- tuierten Recht.Der Staat kann nicht mehr Rechte abgeben als er besitzt.Mit anderen Worten:Verbindlichkeiten Dritten gegenüber bedürfen nicht nur der Ratifizierung, Bestätigung durch den Bundestag, ggfls. gesonderte Umsetzung durch innerstaatliche Einrichtung und Unterschrift des Bundespräsidenten; sie müssen auch dem materiellen Verfassungsrecht entsprechen.In inter- nationalen Verträgen müssen Vorbehalte angebracht werden, wenn das bundesdeutsche Recht nicht alle Inhalte trägt.Ist ein Vertrag abgeschlossen, der verfassungswidrige Inhalte hat, muss dies abgeändert werden bis hin zu einem Rücktritt. Mit welchem Recht kann ein Staat Verpflichtungen schaffen für die er keine Befugnis aus seiner Verfassung besitzt?! Worauf vermag sich die Gültigkeit einer so geschaffenen Verbind- lichkeit berufen?!Eine verfassungswidrige Vereinbarung muss bis hin zu einer verfassungsgemässen abgeändert werden. Bei der Umsetzung der beiden EG-Richtlinien zur Gleich- behandlung bzw. -stellung der Geschlechter gibt es jedoch generell wegen der Verfassungskonformität der Richtlinien kein Problem. Zunächst ist jede Richtlinie auf ihre Verfassungsmässigkeit hin zu überprüfen bzw.dies schon im europäischen Rechtssetzungs- verfahren einzubringen.Das geschieht in concreto durch Abgleichung des geltenden innnerstaatlichen einfachen Rechts mit der gewünschten Rechtsverbesserung.In unserem Fall nimmt man also das arbeitsrechtliche EG-Anpassungsgesetz von 1980 und die dazugehörige Rechtsprechung und vergleicht sie mit den beiden Richtlinien.Stellt man fest, was hier evident ist, dass der europäische Richtliniengeber mehr und weitergehendes verlangt, so sind Überlegungen vonnöten, wie dies geschehen soll.Leiten muss man sich dabei vom Rechtsstaats- prinzip, dessen Bestandteil die Rechtsklarkeit ist.Diese gebietet eine Verortung des Richtlinieninhalts im Sachzusammenhang des innerstaatlichen Gesetzes, wenn ein solches existiert.Gesetzgebungs- technisch ist keineswegs beliebig, wo eine Regelung steht und die Gesetzgebungslehre findet ihren Bezugspunkt in Art.20 GG. Soweit es sich um Regelungen z.B. des Arbeitsvertragsrechts handelt, müssen diese dort eingefügt bzw. dies abgeändert werden.Grund für dieses Vorgehen ist die Implementation mit der höchstmöglichen Chance zur Befolgung der Vorschrift und dies kann nur durch die Einbettung in das geltende Recht dort geschehen, wo es steht.Das ist bei anderen Richtlinienumsetzungen auch der Fall und gerade dort, wo es um die Drittwirkung der Grundrechte geht, ist nur die Einfügung in den geltenden Rechtsbestand an dem Ort der Sachzu- sammenhangsregelung zulässig.Eben die Umsetzung dieser beiden Richtlinien zeigt geradezu schulmässig, was geschieht, wenn man den Grundsatz der Rechtsklarheit missachtet.Im arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetz von 1980 ist die Kündigung in § 611 a Abs.1 S. 1 BGB erwähnt.Sie wird also vom Diskriminierungsverbot umfasst. In Abs.2, 3 und 4 wird bloss für die Einstellungsdiskri- minierung der Schadensersatz begrenzt.Man könnte also ohne weiteres im Wege der Rechtsfortbildung für die Kündigungsdiskriminierung einem Schadensersatzanspruch stattgeben, der über die im Kündigungs- schutzgesetz formulierten und durch die Rechtssprechung bestätigten Einzelheiten hinausgeht, z.B. einen Weiterbeschäftigungsanspruch, da die personale Komponente des Arbeitsverhältnisses durch Art.3 Abs.2 und 3 GG derogiert wird.Weil der Schadensersatzanspruch über die Generalklauseln der §§ 138, 242 GG die Spezialität des Kündigungs- schutzgesetzes aufheben könnte, wäre man an dessen Grenzen nicht gebunden.Jedenfalls aber ist mindestens der Anspruch aus dem Kündi- gungsschutzgesetz wegen "Sozialwidrigkeit" einschlägig. Daß die Grundsätze der Naturalrestitution es verlangen, ein Zustand solle wiederhergestellt werden, der existierte bevor das schädigende Ereignis eintrat, wird bei einem solchen Weiterbeschäftigungsanspruch wörtlich genommen, befindet sich also auch in Konsistenz mit §§ 138, 242 BGB. Das hatte aber der Umsetzungs- gesetzgeber des arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetzes von 1980 offengelassen.7)Nun bestimmt der AGG-Gesetzgeber ausdrücklich, eine Anwendung darf auf die "Kündigung" nicht erfolgen, obwohl dies in § 2 AGG anders steht.8)Nach drei rechtspolitischen Anläufen, mehreren "bereinig- ten Redaktionsversehen" und unterschiedlicher Entscheidungen zu der Frage, ob die "Kündigung" nun doch im AGG umfasst ist oder nicht, steht eines fest: der AGG-Gesetzgeber ist hinter den Stand von 1980 zurückgefallen und hat es damit geschafft, gegen die neueren Richtlinien der EU schon deswegen zu verstoßen, weil diese selbst- verständlich eine Verbesserung des Rechtes gegen Diskriminierung im Auge hatten und keine Verschlechterung.Sogar dann, wenn man der wohlwollenden Rechtsprechung des BAG folgt, das über die Einbeziehung der Kündigung in das AGG rechtstheoretisch ausführte, daß in einem Gesetz zwei sich direkt widersprechende Rechtsnormen durch harmonisierende Auslegung zu dem Ergebnis führen, die Kündigung sei umfasst, bleibt auch nach dieser Auffassung die Grenze für den Schadens- ersatzanspruch das Kündigungsschutzgesetz.Dass man auf diese Art und Weise eine "Kultur der Antidiskriminierung" befördert, die man den früheren Regelungen nicht zusprach, dürfte ein echter Lacherfolg sein.Zwar hat auch der EuGH den Kündigungsschutz ausdrücklich als Richtlinienbestandteil erwähnt, aber die konkreten Einzelgesetze in den Umsetzungsländern dürfen natürlich nicht hinter das Erreichte zurückgehen. Bleibt noch zu erwähnen, daß sich § 20 AGG, der Ausnahmen zulässt, als Einfallstor für Fallgruppen erweisen könnte, in denen der Einzelfall zum Regelfall würde.Die "Unverzichtbarkeit des Geschlechts", wie sie in § 611 a BGB formuliert war, bringt die Sache viel kon- sistenter und eindeutiger auf den Punkt.Auch hier eine Verschlechterung gegenüber dem früheren Rechtszustand.9) Diese Beispiele beweisen, was passiert, wenn der Grundsatz der Rechts- klarheit missachtet und damit das Rechtsstaatsprinzip nicht mit der gebotenen Schärfe durchgesetzt wird.Die Gesetzgebungslehre nimmt auch Stellung zu dem Problem der Einfügung von internationalen Verbindlichkeiten in innerdeutsches Recht.Seit 1964 haben die USA mit bemerkenswerter und beispielloser Energie versucht, den Civil Rights Act zu verwirklichen.10)Gerade die Frauen, die an erster Stelle der diskriminierten Gruppen stehen, hatten es dabei schwer, ihre Mehrheits- eigenschaft den Minoritäten gegenüber zu bestätigen.Die amerikanische Gesellschaft gründet auf einem Einwanderungsland, das von der Integration seiner Minderheiten lebt und das deswegen Kriege geführt hat.Deswegen entspricht es dem angloamerikanischen Rechtskreis und dem Rechtsgefühl der US-Bürger dafür ein gesondertes allgemeines Gesetz zu erstellen, das dem Gedanken der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung und Constitution enspricht("All men are created equal").Auch die auf Prä- zedenzfällen beruhende Auslegungshoheit der Gerichte schafft eine ganz andere Rechtskultur als die in Deutschland übliche systematische Pandektenorientierung, die den systemischen Gedanken des Savigny nach wie vor ehrfürchtig tradiert.11)Allerdings haben auch andere europäische Staaten allgemeine Anti-Diskriminierungesetze geschaffen, jedoch keineswegs alle EU-Staaten.Dort aber, wo bereits in Einzel- gesetzen Regelungen existierten, hat man an diese angeknüpft. In diesem Land in der Mitte Europas darf man es sich jedenfalls nicht leisten, die für die Gleichbehandlung und Gleichstellung der Geschlechter vorgesehenen Regelungen nicht dort zu verankern, wo sie von ihrem Sachzusammenhang her hingehören.Die Debatte darüber ist auch bei den Beratungen zu dem Gesetz von 1980 geführt worden und man hat mit Bedacht die Variante der Einzelgesetzregelung gewählt, die bis 2006 in das BGB eingefügt war.12)Dass die Zahl der Klagen nicht so sehr hoch war, soweit dies gezählt wurde, spricht nicht dagegen, daß das Gesetz nicht angenommen war.13)Schliesslich gab es Rechtsschutz durch die Gewerkschaften, anwaltliche Verhandlungen und Debatten in den Betrieben, aber auch die erhebliche Vorwirkung wegen des doch in der Öffentlichkeit bekannten Diskriminierungsverbots, Beratungen in Gleichstellungsstellen usw..Dem Gesetz von 1980 gar keine Wirkung zusprechen zu wollen, dürfte verfehlt sein.Man hat eher den Eindruck, daß das wenige, was geschaffen worden war, auch noch rückgängig gemacht werden sollte und - jetzt kommt der zweite Teil - geteilt werden soll mit den Minderheiten. 3.Ethnien vor Geschlecht? In § 1 AGG werden die Frauen als Zielgruppe für das Diskriminierungs- verbot nach "Rasse" und "Ethnien" erwähnt.Diese Reihenfolge findet sich weder im EG-Vertrag, noch im Grundgesetz, noch im Civil Rights Act.Dass auf der Homepage der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zu lesen ist, alle Diskriminierungsmerkmale seien gleichartig(sog. horizontaler Ansatz) enspricht zwar nicht dem Wortlaut, stellt aber einen Versuch dar, von der Reihenfolge abzusehen und alle erwähnten Gruppen gleichermassen zu bedenken.14)Das ist verfassungswidrig und entspricht auch nicht dem Vorgehen der EU.Diskriminierungsverbote für Minderheiten sind durch Art.3 Abs.3 GG gedeckt.Eine missbräuchliche Inanspruchnahme der Privatautonomie kann den Schutz des Art.2 GG nicht für sich reklamieren.Hier liegt das Problem aber ganz anders. Art.3 Abs.2 GG schützt Frauen in besonderer Weise und schafft die chancengleiche Gemeinschaft in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft für beide Geschlechter.Legitimatorisch ist der Mehrheitsgedanke von höchstem Rang, wenn es sich um Diskriminierungsprobleme handelt. Benachteiligte Mehrheiten können für sich die grosse Zahl als Argument weltweit in Anspruch nehmen. Daß in Einzelfällen und historischen Situationen Minderheiten viel einschneidender unterdrückt, sogar vernichtet und bekämpft werden, spricht nicht gegen die Gewichtigkeit des Mehrheitsarguments.Auch die Frauen können im übrigen auf solche Ereignisse zurückblicken.Die große Zahl dieser Gruppe gestattete es dem Grundgesetzgeber die Vision einer egalitären Gemeinschaft zu ent- werfen, die beide Geschlechter beteiligt.Während in anderen Bereichen das Mehrheitsargument ohne weiteres in seiner Gewichtigkeit gewürdigt wird und auch die neuen Bundesländer Volksentscheide in ihre Landesverfassungen eingefügt haben, geht man bei der Gruppe der Frauen einen Schritt zurück.Die systematische Auslegung des Grundgesetzes steht dem entgegen.Keinesfalls war es dem Verfassungs- geber egal, wo die Frauen erwähnt werden.15)Daß im Einzelfall jede Diskriminierung subjektiv gleich schwer wiegt, spricht nicht dagegen.Auch die soziale Frage lebt im übrigen von diesem Argument. Der Verstoß gegen Art.2 Abs.1 und 2 GG, der in der Formulierung des § 1 AGG liegt, wird durch seine mangelnde Geschlechtersensibilität noch komplettiert.Sicherlich gibt es im Szenario der Beziehungen zwischen den Geschlechtern Eigenschaften von Frauen, die nicht immer die perfekte Menschlichkeit zum Ausdruck bringen, so dass, etwa in Beratungssituationen, die Lage der anderen Beteiligten, z.B. Männer oder Kinder "mitgedacht" werden muss.Dennoch ist an der in den Sozialwissenschaften entwickelten Geschlechterrollenkonzeption als Erklärungsmodell für die Beziehungen zwischen Frau und Mann festzuhalten.Die Geschlechterrollen werden dabei weder in affirmativer, noch in stereotyper Weise festgeschrieben, sondern an der meß- und zählbaren Häufigkeit von Verhaltensweisen und Eigenschaften dargelegt, wie sie nach Operationalisierung in der empirischen Sozialforschung vorgefunden worden sind.Es ist geradezu rabulistisch bei einem Vergleich von zwei Gruppen, wie es die Gleichheitssätze von ihrem Wesen, ihrer Normstruktur her verlangen, die Zählung von Eigenschaften und Verhaltensweisen abzulehnen.Die mittelbare Diskriminierung und auch die Begründung für Quoten resultierten in der Regel aus Unterre- präsentation und Nichtbeteiligung, die in Häufigkeiten als Grundlage für Fallgruppen festgestellt werden können. Da die Rollentheorie bzw. das Rollenkonzept homogen zu der Auslegung von Gleichheitssätzen verläuft und bei diesen immer ein Vergleichs- paar vorhanden ist, da ja sonst nicht verglichen werden kann, stossen auch Auffassungen, die davon Abschied nehmen wollen, auf Befremden.16)Gerade "Rolle" als empirisch stabil und durch die Aus- tauschrichtung der Norm legitimiert, widerstrebt dem Vorurteil über Weiblichkeit und Männlichkeit und ihrer Festschreibung für die Zukunft.Die Vision, daß die meisten Verhaltensweisen von Männern auch ebenso von Frauen ausgeführt werden können und umgekehrt, ist durchaus beachtlich.Sophistisch ist es dagegen, dies gegen Ideale einer besseren Welt auszuspielen, in der auch andere, vom Geschlecht unabhängige Eigenschaften, Werte und Handlungen ihren Platz haben.Solches kann der Gleichberechtigungsgrundsatz als Unterfall des allgemeinen Gleichheitssatzes eben nicht bieten. Das gilt auch für die Empfindungswelt des Einzelnen(Transgender) oder das Bedürfnis sich biologisch in das andere Geschlecht um- wandeln zu lassen(Transsexualität).Gleichheit ist nicht Freiheit und daher sind solche Normen in ihrer Wirkungsmöglichkeit begrenzt. 4. Beispiel Das ist abschliessend an einem Beispiel deutlich zu machen: Wieland prüft, ob die paritätische Besetzung mit Frauen und Männern in den Aufsichtsräten der Aktiengesellschaften, also eine gesetzliche Quote, verfassungsrechtlich zulässig ist.17)Zwar dürfte der Gesetz- geber dazu nicht verpflichtet sein müssen, aber eine Berechtigung zur Änderung des Aktiengesetzes ist verfassungsrechtlich nicht auszuschliessen.Es wird das Auswahlermessen nicht auf einzelne Personen reduziert, sondern bloß ein Auswahlkriterium verboten, aber die Aktionäre, die den Aufsichtsrat wählen, dürften ggfls. einen Kandidaten, der aufgestellt ist, nicht wählen oder schon die Aufstellung eines Kandidaten wäre nicht zulässig wegen seines Geschlechts.Für die Freiheit ihrer Entscheidung können sie sich auf eine ganze Reihe von Grundrechten berufen.Fraglos werden diese im Interesse des Gemeinwohls, das Gleichbeteiligung auch der Frauen umfasst, eingeschränkt.Eine solche Beschränkung findet man bloss bei der Beteiligung der Beschäftigtenseite, begründet aus dem Sozialstaatsprinzip.Diese ist allerdings weitergehend, weil eine ganze Reihe von Sitzen dem sozialen Gegenspieler überlassen werden müssen.Das Gemeinwohl ist hier für einen weniger schweren Eingriff verlangt, weil sich die Zahl der Frauen in Aufsichtsräten häufig nur in Spurenelementen bewegt.Ursache dafür ist die Rekrutierung, die in vielen Fällen auch nicht als "beruflicher Aufstieg" einzu- ordnen ist, sondern eher als Nebentätigkeit oder als zusätzliche Betätigung.Der Fall, daß jemand ausschliesslich Aufsichtsrat ist, dürfte nichtmal für die Vorsitzenden gelten.Deswegen ist das AGG nicht einschlägig.Auch handelt sich dabei nicht um um Arbeitsverhältnisse, sondern um eine hochrangige kollektive Leitungsfunktion.Wegen der Machtfülle des Aufsichtsrates zwischen den Aktionärsversammlungen ist die Abwesenheit einer zahlenmässig so gewichtigen Gruppe wie die der Frauen nicht im Gleichklang mit den Zielen einer geschlechteroffenen Gemeinschaft wirtschaftlicher Art, die das Grundgesetz im Visier hat.Daher kann eine solche Quote durchaus durch Änderung des Gesetzes im Sachzusammenhang geschaffen werden, ggfls. mit Übergangsfristen.18) Fussnoten: 1) Palandt, 69.A., 2010, AGG Einl Rdnr.1-6. 2) Vgl.Thüsing, in:MüKo, AGG, 5.A.2007 ab Rz.1;www.Bundesantidiskriminie- rungsstelle.de, m.w.N. 3) Vgl.Wortlaut der Richtlinien. 4) Darstellung bei Thüsing, a.a.O. und Bundesantidiskrimierungsstelle,a.a.O. 5) Grds. Slupik, Die Entscheidung des Grundgesetzes für Parität im Geschlechterverhältnis.Zur Bedeutung von Art.3 Abs.2 und 3 GG in Recht und Wirklichkeit, 1988, S.67ff; S.77 und folg.Kapitel; auch zum weiteren. 6) BVerfG NJW 09/2267. 7) Vgl. Wortlaut 8) Siehe Wortlaut 9) So der Wortlaut;BAG NZA 7/2009 z.Kündigung;weitere Nachw.Palandt a.a.O. 10)Anschaulich, Thüsing, in:MüKo, AGG, 5.A., 2007.Einl. 11 Grundsätzlich: Slupik, Formen und Recht der Demokratie im Ver- fassungsstaat, 2006, § 27 und Allg.Teil. 12 Nachweise bei Slupik, a.a.O, S.155. 13 So die breite Debatte über die Effektivität und Wirkung von Recht in der Rechtssoziologie,vgl. nur Bryde/Hoffmann-Riem, Rechtspro- duktion und Rechtsbewußtsein, 1988. 14 Siehe Homepage Antidiskriminierungsstelle des Bundes. 15 Vgl.Slupik, a.a.O, S.35-25. 16 Nachweise b. Berghahn/Rostock, Der Stoff aus dem Konflikte sind:De- batten um das Kopftuch in Deutschland, 2009, S.238f. 17 NJW 2010, 2408. 18 Vgl.zum Vorrang d. mütterl.SorgeR 1BvR 420/09 v.21.7.2010(umstr.); siehe z.Adoption durch Damenpaar EGMR v.22.1.2008,Gz. 43546/02.